Portrait von Heinz Weißflog
[…] Schon zu Kindeszeiten war dem Maler Reinhard Sandner das Tun mit Stift und Pinsel ein Naturbedürfnis und einzige Bestätigung. Und schließlich war Kindheit nur dadurch aushaltbar und verlängerte sich in ein schöpferisches Leben, das dem Außenstehenden unvorstellbar bleibt, weil es einen anderen Rhythmus hat, den des Werkes und seiner Entstehung. So stellt sich das Leben Sandners und seine Kunst als Weg einer Fieberkurve dar, die von den geheimen Säften und Ingredienzien des schöpferischen Wollens gespeist wird, das gleichsam Fluch und Segen ist. Eine Maschine kann man bauen, bis sie funktioniert.
Ein Künstlerleben aber wehrt sich vehement gegen den Zwang, eingeordnet und vereinnahmt zu werden, will sich selbst fordern und aus sich etwas herausstellen, sein eigener Herr und Meister sein. Dabei ist dieses Bedürfnis eigentlich eines aller Menschen und auf seine Art das menschlichste: Nur, es verkümmert spätestens mit der Pubertät. […] Was entsteht, ist eine andere Wirklichkeit, in die das Leben eingeflossen ist: Verwandlung, nicht Konstruktion, nicht Abstraktion. Die wie Ölbilder behandelten Acrylbilder sind im Laufe des Schaffens am äußeren Licht geschärft. Ton in Ton mischt Sandner mit Weiß ins Grau und stellt ein sphärisches Gelb in den Mittelpunkt, das an die Bilder Turners erinnert. Alles scheint dadurch belebt und aufscheinend in gleißendem Lichtschimmer, der manchmal auch von innen leuchtet wie bei Rembrandt. Ocker und Braun entstammen der heimatlich-aufgewühlten Tagebauerde, die wie ein aufgegrabenes Feld oder ein frisches Grab Sandners Figuren und Kreaturen umschließen.
Der Aufschrei in Munchs Bildern wohnt auch in den Augen von Sandners Figuren. Georg Heyms Weltendgedichte haben ihren poetischen Abdruck auf den Bildern hinterlassen, Körper, im Raum schwebend oder dahinfließend, aufgereckt oder verloren in verzweifelnder Gebärde, ertrinkende, gequälte Existenzen. Einzig das Tier lebt in dieser Welt ungebeugt und selbstvergessen, schwimmt als ,Endchen" oder „Erlkönigin" inmitten teuflischen Tuns verbogener menschlicher Intelligenz. Das verweist auf Sandners tiefsten Ursprung: Dass die Dinge wieder zusammenkommen müssen, die zusammengehören. Vor allem aber, dass die Fremdheit des Lebens in dieser Welt beginnt aufzuhören, wenn wir zur Kindheit, unseren Wurzeln hinabsteigen. […]
Heinz Weißflog
Stimmen
“... Sandner [sucht] heute nicht mehr nach der Infragestellung herkömmlicher Auffassung von Malerei, sondern definiert sich. ... Sandner langte als einer der ersten unter den Dresdnern der achtziger Jahre zu, einen gezielten Pinselschlag auszuteilen. Bei aller Eigenwilligkeit hatte diese Strategie Methode und verriet Orientierung an lokalen Entwicklungslinien.”
Christoph Tannert, Dezember 1988; Katalog „Junge Malerei der 80er Jahre",
Kunstmuseum Solothurn, 1989
“… Entsprechend lässt Sandner, jedenfalls am Beginn des Arbeitsprozesses, Zufälle zu. Die Kompositionsfindung und ihre erste Anlage sind einem Pingpong-Spiel vergleichbar, einer intensiven Zwiesprache mit dem Bild. Im nächsten Schritt erst stellen sich beim Maler Assoziationen ein, er lenkt und koordiniert die weitere Ausformung der Komposition, häufig inspiriert vom Klang bestimmter Wörter, von Dialekten, Lyrik und Musik, worauf auch Bildtitel wie „Katteker“ (Eichhörnchen), „De Peremett“ (Die Pyramide), „Slüzzelîn“ oder „Ruschelswing“ verweisen. …“
Teresa Ende, aus der Eröffnungsrede zur Ausstellung „Die Murmel ist weg“,
Galerie Adlergasse, Dresden 2017
“… Seine Leinwandarbeiten sind voller offener Andeutungen und verborgener Geheimnisse: sinnlich, archaisch, versponnen, intuitiv. Sandners Acrylbilder stehen immer wieder im Kontext zu musikalischen Themen. Sie erscheinen als malerische Erhebungen von Klängen – im Sinne von Arabesken, fließenden Strukturen, beiläufigen Kritzeleien. Der Reichtum seiner Arbeiten liegt in ihrer großen inneren Freiheit, farblichen Ausgewogenheit und kompositorischen Dichte. Es dominiert ein kraftvoller Impuls, der expansiv ist, der Weite atmet.”
Stefan Voigt, zur Ausstellung „Die Murmel ist weg“,
Galerie Adlergasse, Dresden 2017
“Wenn ich male, halte ich Dinge fest und versuche, die Räume zwischen den Dingen zu berücksichtigen, die eigentlich das Spannende an einem Bild sind. Löcher in die Luft gucken - das ist das Abenteuer und mein eigentliches Anliegen hinter die Oberfläche zu gelangen. Gäbe es z.B. in der Musik keine diversen Pausen, wäre die stetige Abfolge von Tönen schal. Es ist wie Geisterzauber - die Zwischenräume.”
Reinhard Sandner, aus einem Gedankenaustausch mit dem Kunstkritiker Heinz Weißflog
Kunstkritik zu einer Sandner Ausstellung in Dresden, Quelle unbekannt